4
Diskussion
4.1
Patientenkollektiv
Im
Vergleich zu entsprechenden Studien in der gesichteten Literatur ist das
in dieser Arbeit beobachtete Patientenkollektiv deutlich repräsentativer,
und zwar auf Grund seiner Größe und des Nachbeobachtungszeitraums. Das
Patientenkollektiv besteht überwiegend aus weiblichen Patienten (151
Frauen mit 181 RSI). Das Alter der operierten Frauen betrug im Mittel 59
Jahre (40-91). Diese Daten bestätigen die Überlegungen vieler Autoren (Aune
1955, Cotta 1959, Hilty et al. 1996, Martini 1985), dass postmenopausale
Hormonveränderungen an der Entstehung der DSG-Arthrose maßgeblich
beteiligt sind.
Eine
Prävalenz der DSG-Arthrose an der dominanten Hand konnte im Gegensatz
zur Literatur (Cotta 1959, Elsner et al. 1995, Koebke 1979, Wittemann et
al. 2002), nicht beobachtet werden. Der Eingriff wurde nur in 55% der
Fälle an der dominanten Hand vorgenommen.
Eine
Tendenz zur bilateralen Erkrankung bei Frauen ist allerdings auch in
dieser Studie zu erkennen. Von 151 Patientinnen wurden 30 Patientinnen
beidseitig operiert. Dies entspricht einem bilateralen Befall von ca.
20% beim weiblichen Geschlecht. Das Ergebnis stimmt mit den Daten von
Burton (Burton et al. 1986) und Hilty und Stober (Hilty et al. 1996)
überein.
4.2
Schmerz
Die
Schmerzreduktion ist als ein sehr wichtiger Parameter für die
Beurteilung der Operation, insbesondere durch den Patienten, zu sehen.
Die Studie konnte eine signifikante Schmerzreduktion durch das Verfahren
bestätigen, wie dies auch bei anderen Autoren (Epping et al. 1983, Krein
et al. 2001, Wittemann et al. 2002) belegt ist.
Bei
dem Vergleich der prä- und postoperativen Schmerzen der vorgelegten
Studie ohne und mit Belastung wurden ähnlich deutliche Tendenzen zur
Schmerzreduktion (von 71 auf 25 ohne Belastung, von 88 auf 37 mit
Belastung) wie bei Wittemann 2002 (von 52,8 auf 13,3 ohne Belastung, von
78,7 auf 33,1 mit Belastung) festgestellt. Diese Studien sind
diesbezüglich gut vergleichbar, da auch bei Wittemann 2002 die
präoperativen Schmerzen aufgrund des Studiendesigns retrospektiv
ermittelt wurden. Diese Tatsache mindert zwar die Genauigkeit der
Angaben, erlaubt aber den guten Vergleich beider Studien bezüglich der
Schmerzreduktion.
Der
retrospektiv erfragte Schmerzlauf im Zeitraum von einem bis zu sechs
Monaten postoperativ ergab eine Schmerzreduktion um 20 Punkte auf der
Analogskala von 46 zu 26, also von 44%. Von sechs Monaten postoperativ
bis zu einem Jahr postoperativ wurde eine weitere, noch deutlichere
Schmerzreduktion, um 16 Punkte auf der Analogskala von 26 auf 10, also
von 62% ermittelt. Diese Ergebnisse zeigen, dass der postoperative
Schmerzverlauf einen Zeitraum von einem halben bis zu einem ganzen Jahr
einnehmen kann, in dem die Schmerzreduktion weiter fortschreitet, so
dass sich die Schmerzsituation der Patienten noch maßgeblich verbessert.
In der Studie von Krein (Krein et al. 2001) wurden ähnliche Ergebnisse
veröffentlicht. Es wurden zwar die Schmerzwerte präoperativ, drei Monate
und ein Jahr postoperativ erhoben, aber auch eine Gewöhnungsphase nach
Resektionsarthroplastik beschrieben, die mehrere Monate andauern kann.
Bei Patienten mit zögerlicher Beschwerdelinderung wurde die Tendenz zur
wesentlichen Verbesserung zwischen dem fünften und sechsten Monat
beobachtet (Krein et al. 2001), wobei zu diesem Zeitpunkt keine
studienspezifischen Daten erhoben wurden. Die Ergebnisse der vorgelegten
Studie sprechen für einen Zeitraum von acht bis neun Monaten
postoperativ, in dem eine wesentliche Schmerzreduktion stattfindet.
Diese
Erkenntnis sollte dem Patienten vor der Operation deutlich dargestellt
werden, damit er nicht eine falsche Erwartungshaltung entwickelt und das
Operationsergebnis zu frühzeitig als enttäuschend beurteilt. Aufgrund
des zu erwartenden prolongierten Verlaufs, der auch in anderen Studien
bemerkt wurde (Krein et al. 2001), sollte der Patient über die Tendenz
einer verlängerten Gewöhnungsphase (> ein halbes Jahr) aufgeklärt werden.
4.3
Narbe und Sensibilität
Eine
der wichtigsten Modifikationen der Operationstechnik war die Änderung
der Schnittführung. Eine S-förmige Schnittführung wird aufgrund häufiger
postoperativer Radialisirritationen nicht mehr empfohlen (Burton et al.
1986, Hilty et al. 1996, Wittemann et al. 2002) und zugunsten einer
geraden Schnittführung ersetzt. Im Rahmen der vorgelegten Studie wurde
als Modifikation jedoch stets eine bogenförmige Schnittführung von
palmar durchgeführt. Bei der Nachuntersuchung zeigten lediglich 8,2% der
Patienten schmerzhafte Missempfindungen direkt im Narbenbereich. Dieser
Wert liegt deutlich unterhalb des von Wittemann publizierten Wertes von
86,2 % Radialisirritationen bei bogenförmiger Schnittführung (Wittemann
et al. 2002). Mit der Quote von 8,2% Narbenproblemen bei bogenförmiger
Schnittführung ist diese sogar noch niedriger als die bei gerader
standardisierter Schnittführung von 12,5% (Wittemann et al. 2002).
4.4
Kraft
Die
postoperative Kraftentwicklung wird von der Literatur mehrheitlich als
positive beschrieben (Burton et al. 1986, Epping et al. 1983, Nylen et
al. 1993, Wittemann et al. 2002).
Kritisch ist der bisher gängige alleinige Vergleich der Kraftwerte der
operierten zur nicht operierten Hand zu sehen (Krein et al. 2001), da
häufig auch eine DSGArthrose mit unterschiedlichem Beschwerdeausmaß der
Gegenseite vorliegt. Des Weiteren besteht auch physiologischer Weise
eine Kraftdifferenz zwischen dominanter und nicht dominanter Hand
(Armstrong et al. 1999). Dies ist auch bei der Interpretation der
vorliegenden Ergebnisse zu berücksichtigen, zumal das Patientenkollektiv
zu 55% an der dominanten Hand operiert wurde.
Daher
wurden in der vorgelegten Arbeit sowohl die Kraftwerte prä- und
postoperative im Vergleich zur Gegenseite, als auch unabhängig von der
nicht operierten Gegenseite, prä- und postoperative Kraftwerte der
operierten Hand, gegenübergestellt. So konnte der Operationserfolg noch
deutlicher und unabhängig von der Gegenseite dargestellt werden. Eine
Kraft von 98% im Grobgriff und 83% im Seitgriff im Verhältnis zur nicht
operierten Gegenseite in dieser Studie übertrifft deutlich die
Ergebnisse von Wittemann (78,1% im Grobgriff, 79,1% im Seitgriff) (Wittemann
et al. 2002) und Kleinman (80% im Grobgriff, 80 % im Seitgriff) (Kleinman
et al. 1991).
Auch
der wichtige Vergleich der prä- und postoperativen Kraftmessungen
unabhängig von der nicht operierten Seite zeigt mit einer
Kraftentwicklung von 22,3% im Grobgriff und 28,0% im Seitgriff gute
Werte, zum Beispiel im Vergleich mit Burton (19%) (Burton et al. 1986)
oder Krein (8% und 26%) (Krein et al. 2001).
4.5
Beweglichkeit
Die
Beweglichkeit im DSG der Patienten dieser Studie kann postoperativ als
gut bezeichnet werden. Bei der Radialabduktion und der Palmarabduktion
im DSG erreichten die untersuchten Patienten im Mittel eine
Beweglichkeit 45 und 42 Grad. Diese Messungen bestätigen auch die
Untersuchungen anderer Autoren, die regelmäßig zwischen 40 und 50 Grad
als Ergebnis für beide Bewegungen angegeben werden (Epping et al. 1983,
Hilty et al. 1996, Kleinman et al. 1991, Mentzel et al. 2001, Uriburu et
al. 1992, Wittemann et al. 2002).
Die
Bewertung der Oppositions- und Retropositionsbewegung führte ebenfalls
zu guten Ergebnissen. Insbesondere das für den Patienten wichtige
Oppositionsmanöver wurde in 91% der Fälle postoperativ mit sehr gut
bewertet und lediglich von 2% der Patienten mit befriedigend oder
schwach. In vorherigen Arbeiten wiesen 27% der Patienten eine
Oppositionsschwäche auf (Wittemann et al. 2002). In der vorgelegten
Arbeit konnte also diesbezüglich ein besseres postoperatives Ergebnis
festgestellt werden.
Die
Retropositionsbewegung wurde für 78% der Patienten mit gut oder
befriedigend beurteilt. Diese Ergebnisse decken sich mit denen von
Wittemann (Wittemann et al. 2002) fast genau und werden auch dort
positiv bewertet. Der Stellenwert der Retropositionsbewegung für die
Funktionalität der Hand im Alltag ist im Vergleich zur
Oppositionsbewegung jedoch deutlich geringer einzuschätzen.
Die
Handspanne der operierten Seite beträgt im Mittel 95% der nicht
operierten Gegenseite. Dieses Ergebnis unterstützt den in dieser Studie
ermittelten Wert für die Beweglichkeit in der Radialabduktion, da diese
wesentlich an der maximalen Handspanne beteiligt ist.
4.6
Neurologische Befunde
Die
Auswertung der Patientenakten ergab, dass bei 12,8% der Patienten ein
operiertes KTS vorhanden war und weitere 23% der Patienten präoperativ
Anzeichen für das Vorliegen eines KTS präsentierten. Entsprechende
neurologische Befunde konnten auch postoperativ mit Hilfe des Hoffmann-Tinelschen
Klopfzeichens und dem Phalen-Test erhoben werden.
Diese
Daten stützen die Theorie der erhöhten Inzidenz des KTS bei
DSG-Arthrose, die auch schon von anderen Autoren beschrieben wurde
(Florack et al. 1992, Wittemann et al. 2002). Wittemann fand im Jahr
2002 eine Quote von 17% für das KTS als präoperative Begleiterkrankung.
4.7
Funktionalität
In der
Literatur ist über die Funktionalität des DSG im Alltag nach RSI nur
wenig zu finden. Für die Patienten sind die in der vorgelegten Studie
analysierten Alltagstätigkeiten aber von besonderer Wichtigkeit. In der
Literatur angegebene Beschwerden im Alltag waren bisher nur das Öffnen
fest verschlossener Gläser und Flaschen, schwere Hausarbeit, das Tragen
schwerer Gegenstände über 5 kg und Freizeitaktivitäten, die Druck auf
die Hand ausübten (Wittemann et al. 2002). Sowohl die Häufigkeit dieser
Probleme im Patientenkollektiv, als auch der Benefit der RSI für die
Patienten im Alltag wurde bisher nicht ausreichend untersucht.
In
dieser Arbeit wurde der Funktionalität der Hand eine wichtige Bedeutung
beigemessen und einige Tätigkeiten des Alltags ausgewählt, zu denen die
Patienten befragt wurden. Die Patienten wurden sowohl gefragt, ob sie
die verschiedenen Alltagstätigkeiten durchführen konnten, als auch
danach, ob sie bei der Ausführung der Tätigkeiten Schmerzen hatten.
Die
Ergebnisse dieser Befragung sind insgesamt positiv zu bewerten, denn ein
Großteil der Patienten (65-90%) konnte die erfragten Tätigkeiten des
Alltags postoperativ ausführen. Dennoch gab es bei allen Tätigkeiten
Patienten, die auch postoperativ über Schmerzen während der Ausübung der
Alltagshandlungen klagten (17-33%).
Diese
neuen Daten zeigen, dass in künftigen Studien das Operationsergebnis
patienten- und funktionsorientierter dargestellt werden sollte, um den
Erfolg des angewandten Operationsverfahrens besser beurteilen zu können.
4.8
Patienten in Arbeitsverhältnis
Insbesondere anhand der Arbeitsfähigkeit lässt sich der Operationserfolg
in der vorgelegten Arbeit feststellen. Denn obwohl in 78% der Fälle die
Patienten in ihrer Berufsausübung präoperativ beeinträchtigt waren,
musste nur in 10% der Fälle die berufliche Tätigkeit postoperativ
verändert werden. Daher sollte auch das Kriterium der Berufsfähigkeit in
zukünftigen Studien mehr Beachtung finden, da die Lebensqualität in
einem hohen Maße davon beeinflusst wird.
4.9
Gesamtergebnis und Schlüsselfrage
Im
Gegensatz zu nur 27% der Patienten bei Wittemann (Wittemann et al.
2002), wurde das Gesamtergebnis in der vorgelegten Arbeit von über 60%
der Patienten als sehr gut bewertet. Die Schlüsselfrage wurde von 86%
der Patienten bejaht. Dies entspricht den erzielten Einzelergebnissen
unter den Punkten Schmerz, Kraft, Beweglichkeit und insbesondere die
Ergebnisse im Bereich der postoperativen Funktionalität der Hand.
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