1
Einleitung
1.1
Historischer Überblick
Die
articultatio carpometacarpea pollicis ist nicht nur beim Menschen,
sondern auch bei den meisten Primaten essentiell für das Opponieren des
ersten Handstrahls (Napier 1967).
Die
Oppositionsbewegung im Daumensattelgelenk (DSG) ist sehr komplex und
enthält unter anderem eine Rotationskomponente. Die Rotation im DSG wird
entweder als zwangsläufige, gekoppelte oder eigenständige, aktive
Bewegung gesehen (Koebke 1984). Die Beweglichkeit im DSG ist trotz der
bedeutsam bandverstärkten Gelenkkapsel sehr ausgeprägt, da die Kapsel
grundsätzlich schlaff angelegt ist.
Es gab
zahlreiche Versuche, die Gelenkflächen des DSG als Oberflächensegmente
geometrischer Körper zu beschreiben (Bausenhardt 1949/50, Du Bois-Reymond
1896, Fick 1854, Henke 1863). Durch diese Modellvorstellungen wurde
versucht, die Gelenkbewegungen im DSG abzuleiten und zu verstehen,
obwohl sie unrealistisch sind.
Meyer
bemerkte, dass die am DSG beteiligten Gelenkflächen des os trapeziums
und des os metacarpale I nicht kongruent sind (Meyer 1873). Besonders
die dorsopalmare Ebene weist deutlich unterschiedliche Krümmungsradien
der Gelenkfläche auf (Bopp 1966, Kauer 1987, Kuczynski 1974, Pieron
1981). Des weiteren wurde durch Schmidt und Lieb festgestellt, dass auch
die radioulnare Ebene inkongruent ist (Schmidt 1981). Der
Krümmungshalbmesser des os trapeziums ist in diesem Bereich der
Gelenkfläche größer als der des os metacarpale I. Auf der trapezialen
beziehungsweise metacarpalen Gelenkfläche wurde eine
Firstbeziehungsweise eine Sulkusbildung beobachtet, die eine
Untergliederung der Gelenkflächen des DSG darstellt (Kauer 1987,
Kuczynski 1974, Napier 1955, Pieron 1973). First oder Sulkus trennen
somit Flächenareale unterschiedlicher Krümmungsradien. Die Folge ist,
dass es zwischen os trapezium und os metacarpale I keine Gelenkstellung
gibt, bei der ein kompletter Gelenkflächenschluss existiert.
1.2
Anatomie des DSG
1.3
Ätiologie der Daumensattelgelenksarthrose (DSG-Arthrose)
Die
Arthrose im Daumensattelgelenk zählt zu den häufigsten Arthroseformen an
der menschlichen Hand. Bei postmenopausalen Frauen beträgt die Prävalenz
zwischen 25 und 50% (Armstrong et al. 1994, Nylen et al. 1993). Ihre
Ätiologie ist in der Mehrzahl der Krankheitsfälle ungeklärt, so dass die
ätiologisch ungeklärten Fälle als idiopathische DSG-Arthrose bezeichnet
werden. Als pathogenetisch wichtige Faktoren werden Berufe mit
intensiver manueller Belastung und Beanspruchung (zum Beispiel
Bauarbeiter, Hausfrauen, Büroschreibkräfte und Pianisten) (Cotta 1959,
Elsner et al. 1995, Koebke 1979), hormonelle Einflussgrößen beim
weiblichen Geschlecht (Cotta 1959) und anatomische Formvarianten des os
trapeziums mit abgeflachter radialer Sattelhöhe diskutiert (Aune 1955,
Cotta 1959, Martini 1985).
In
wenigen Fällen ist die Ursache oder ein Auslöser für die Entstehung
einer DSGArthrose bekannt. Zu einer solchen ätiologisch definierten
Untergruppe gehören die posttraumatischen DSG-Arthrosen. So konnte
gezeigt werden, dass intraartikuläre Frakturen des Daumensattelgelenkes,
wie eine basale Metakarpale-I-Fraktur, die Entwicklung einer
DSG-Arthrose begünstigen (Cannon et al. 1986, Wittemann et al. 1996).
Ebenso gehören in die Gruppe der posttraumatischen DSG-Arthrosen auch
die Kapsel-Band-Läsion im Carpometacarpal-Gelenk I (CMC-I) und die
seltene Fraktur des os trapeziums. Die DSG-Arthrose kann sich auch als
Folgezustand einer Gicht oder chronischen Polyarthrits manifestieren.
Für
die Funktionalität der Hand ist die Oppositionsbewegung des Daumens im
DSG von besonderer Bedeutung. Das DSG besitzt bis zu 16 stabilisierende
Bänder (Bojsen-Moller 1976, Pieron 1973), von denen die Hypermobilität
weniger Ligamente, initial bei der Entstehung der DSG-Arthrose
pathogenetisch ausschlaggebend zu sein scheint (Aune 1955, Eaton et al.
1973, Lucht et al. 1980, Pellegrini 1991, Pfiffner 1971). Eine besondere
Wichtigkeit für die Stabilität des DSG wird dem ligamentum obliquum
anterius, auch LAO oder „beak-ligament“ genannt (Imaeda et al. 1993,
Pellegrini 1991, Pieron 1973), dem intermetacarpalen Band (IML) (Bojsen-Moller
1976, Koebke 1979), dem ligamentum obliquum posterius (LOP) (Pieron
1973) und dem ligamentum collaterale ulnare (Imaeda et al. 1993,
Pellegrini 1991, Pieron 1973) zugesprochen. Eine Schwächung des
Bandapparates konnte als Folge des physiologischen Alterungsprozesses
nachgewiesen werden (Koebke et al. 1982, Najima et al. 1997).
Für
die physiologische Oppositionsbewegung ist eine axiale Rotation des
Daumenstrahls von 20 bis 30 Grad gegenüber der Achse des os trapeziums
notwendig (Eaton et al. 1969). Die hierbei entstehende Gelenkinkongruenz
Word durch eine Hypermobilität des Bandapparates, insbesondere der oben
erwähnten Bänder, weiter verstärkt. Die daraus folgende Reduzierung des
kongruenten Gelenkschlusses und die damit verbundene starke
Verkleinerung der Knorpelkontaktzonen bewirkt höhere Druckbelastungen
auf eine geringere Fläche (Koebke 1979, Koebke et al. 1983, Martini
1985). Die Folge sind Knorpeldefekte an der Artikulationsfläche. Bereits
anfänglich minimale Knorpelläsionen, die sich bei jeder
Oppositionsbewegung vermehren und ausdehnen, müssen als destruierender
Prozess in der Frühphase der DSG-Arthrose angesehen werden (Koebke
1979).
1.4
Klinik der DSG-Arthrose
Die
DSG-Arthrose beginnt meist schleichend und führt im Anfangsstadium in
der Regel nicht zu einem spezifischen Beschwerdebild oder einer
Schmerzsymptomatik. Die bei weiterer Progression der Gelenkdestruktion
auftretenden ersten Beschwerden äußern sich oft in belastungsabhängigen
Schmerzen, die typischerweise im Thenar, seiner Umgebung oder auch im
Unterarm lokalisiert sind. Dabei bereiten insbesondere Abduktion und
Opposition im DSG den Patienten Schmerzen. Ergänzt werden die erst
belastungsabhängigen und im Verlauf auch bewegungsunabhängigen Schmerzen häufig durch eine Schwellung an der
Basis des Thenar. Außerdem klagen die Patienten über erhebliche
Beeinträchtigungen in Beweglichkeit und Kraftentwicklung im DSG.
Die
fortschreitende Degeneration leitet eine dorso-radiale Subluxation der
Basis des os metacarpale I ein, zu der sich eine Adduktionskontraktur
mit kompensatorischer Hyperextension im Daumengrundgelenk (MP-I)
entwickelt (Burton et al. 1986, Eaton et al. 1973, Koebke 1979, Martini
1985). Diese Fehlstellung und eine Atrophie der Thenarmuskulatur können
häufig bereits durch eine eingehende Inspektion des Arztes
diagnostiziert werden (Legal et al. 1972).
Ebenso
kann während der passiven Bewegung im DSG oft eine Krepitation
festgestellt werden, die meist schmerzhaft ist. Auch durch axialen Druck
auf den Daumenstrahl bei gleichzeitiger passiver Rotation des os
metacarpale I (Grinding-Test) lassen sich Schmerzen im DSG provozieren
(Dell et al. 1978, Froimson 1970, Haffajee 1977).
Im
weiteren Verlauf der DSG-Arthrose und bei fortschreitender Destruktion
des arthrotischen Gelenkes reduziert sich die Beweglichkeit im DSG
häufig soweit, dass eine Minderung der Schmerzsymptomatik auftritt (Dell
et al. 1978). Das pathomorphologische Äquivalent stellt sich im
Röntgenbild mit den klassischen Arthrosezeichen (Gelenkspaltverschmälerung,
subchondrale Sklerosierung, osteophytäre Randbauten) dar.
In der
Symptomatik zwischen der idiopathischen und der posttraumatischen
DSGArthrose gibt es keine spezifischen Unterschiede (Haffajee 1977).
1.5
Therapie der DSG-Arthrose
Die
Therapie der DSG-Arthrose teilt sich in die konservativen und die
operativen Behandlungskonzepte auf.
1.5.1 Konservative Therapie
Die
symptomatische DSG-Arthrose mit der oben beschriebenen klinischen
Symptomatik kann in der Regel zunächst konservativ therapiert werden.
Ziele der Therapie sind Schmerzbefreiung und Wiederherstellung der
Funktion mit den Komponenten Opposition, Kraft und Stabilität.
Es
stehen NSAID (nonsteroidal antiinflammatory drugs) und rehabilitative
physikalische Maßnahmen zur Verfügung. Des Weiteren werden Schienen zur
Ruhigstellung eingesetzt, die auch Orthesen genannt werden. Auch die
intraartikuläre Injektion von Lokalanästhetika oder Kortikosteroiden
kann bei genauer Indikationsstellung und exakter Beachtung steriler
Arbeitsbedingungen eine Besserung der Schmerzsituation herbeiführen.
Inzwischen finden auch Hyaluronsäurepräparate zur intraartikulären
Injektion Anwendung in der Therapie der DSG-Arthrose.
Die
konservative Therapie mit den genannten Maßnahmen lässt jedoch für die
Patienten lediglich im Anfangsstadium eine symptomatische Besserung
erwarten (Buck-Gramcko 1972).
1.5.2 Operative Therapie
Intensivieren sich die Symptome der DSG-Arthrose und ist die
konservative Therapie nicht mehr ausreichend wirksam, ist eine operative
Therapie zu erwägen. Für die operative Therapie der DSG-Arthrose stehen
verschiedene Operationsverfahren zur Auswahl.
1.5.2.1 Arthrodese
Die
Arthrodese
(Carroll 1987, Carroll et al. 1973, Eaton et al. 1969, Mattson 1969,
Menon 1983, Slocum 1943) stellt eine Operationsmethode dar, bei der
operativ eine Gelenkversteifung, wie beispielsweise bei einer schweren
Arthrose oder bei einer chronischen Gelenksinstabilität bei Lähmungen
vorgenommen wird. Sie dient vor allem der Schmerzlinderung. Die
Bewegungsfähigkeit im Gelenk wird dabei komplett unterbunden. Dabei wird
entweder das Gelenk eröffnet (intraartikuläre Arthrodese) oder nicht
eröffnet (extraartikuläre oder paraartikuläre Arthrodese). Die
Arthrodese ist ein Operationsverfahren, das an verschiedenen Gelenken
angewendet werden kann. Bei diesem Verfahren am DSG stehen sich die
erzielte Sicherung der Stabilität und die gleichzeitig in Kauf genommene
Minderung der Beweglichkeit durch die Arthrodese gegenüber. Es muss eine
möglichst genaue Positionierung der Arthrodese angestrebt werden, um
sekundäre arthrotische Veränderungen in den peritrapezialen Gelenken so
weit wie möglich zu vermeiden. Bei jüngeren Patienten oder zu
erwartender manueller Belastung wird oft die Arthrodese gewählt.
1.5.2.2 Extirpation des os trapeziums
Bei
der
alleinigen Extirpation des os trapeziums
(Gervis
1949, Goldner et al. 1959, Poigenfuerst 1961) hingegen, kann
postoperativ eine absolut freie Beweglichkeit und Schmerzfreiheit
erreicht werden. Eine bereits vorhandene Instabilität im DSG wird durch
die Extirpation des os trapeziums allerdings weiter verstärkt und führt
zu einer ausgedehnteren Subluxation. Im weiteren Verlauf fällt
regelmäßig eine fortschreitende Proximalisierung des Daumenstrahls auf,
woran sich häufig eine Behinderung der Beweglichkeit (Buck-Gramcko 1972)
und eine Kraftminderung anschließen.
1.5.2.3 Resektion des os trapeziums mit Interposition
Eine
Resektion des os trapeziums mit Interposition von körpereigenem oder
körperfremdem Material
(Buck-Gramcko
1972, Froimson 1970, Martini 1985, Menon et al. 1981, Swanson 1972,
Wilhelm et al. 1979) soll gegenüber der alleinigen Extirpation des os
trapeziums die Proximalisierung des Daumenstrahls durch das Einsetzen
von Interponaten in den freigewordenen Raum des extirpierten os
trapeziums verhindern. Als körpereigene Materialien sind die
Palmaris-Longus-Sehne (Dell et al. 1978), Fascia-Lata-Gewebe (Wilson
1972) oder die Flexor-Carpi-Radialis-Sehne (FCR-Sehne) (Buck-Gramcko
1972, Burton et al. 1986) eingesetzt worden. Das gängigste körperfremde
Interponat ist das Silicon-Kautschuk (Silastik)-Interponat nach Swanson
(Swanson 1972). Es konnte mehrfach über gute Ergebnisse berichtet werden
(Burton et al. 1986, Haffajee 1977, Hofammann et al. 1987). Allerdings
ist hier eine operative Kapselverstärkung indiziert, um einer
Interponatluxation entgegen zu wirken. Weitere bedeutsame Probleme bei
körperfremden Materialien sind der durch mechanische Belastung
entstehende Schaden am Interponat und eine aufgrund der Abriebprodukte
entstehende Synovitis (Gschwend et al. 1986).
1.5.2.4 Resektions-Suspensions-Interpositionsarthroplastik
Ein
weiteres Operationsverfahren ist die
Resektion des os trapeziums und Interposition mit Fesselung der
Metacarpale-I-Basis mittels Aufhängeplastik
(Burton et al. 1986, Eaton et al. 1973, Epping et al. 1983, Kleinman et
al. 1991). Da eine alleinige Interposition mit körpereigenem oder
körperfremden Material als nicht ausreichend beurteilt wurde (Burton et
al. 1986, Gschwend et al. 1986), wird die FCR-Sehne nicht nur als
Interponat für den durch die Extirpation des os trapeziums
freigewordenen Raum genutzt, sondern auch zur Stabilisation des DSG
verwendet. Erreicht wird diese Stabilisierung über eine durch die Basis
des os metacarpale I gezogene FCR-Schlinge (Burton et al. 1986).
1.5.2.5 Endoprothese
In der
operativen DSG-Arthrosetherapie kommen auch
partielle oder Total-Endoprothesen
zum
Einsatz (Caffinière 1973, Swanson 1981). Wegen zu häufiger
Komplikationen wie Lockerung, Pfannenmigration und Luxation kann man den
Daumensattelgelenkersatz durch Endoprothesen zurzeit jedoch noch nicht
als Alternative zu den etablierten Operationsverfahren zählen (Safiarian
2003, Sportelli 2003).
1.6
Zielsetzung
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die bisher angewandten
Operationstechniken zur Therapie der DSG-Arthrose wegen
verfahrensbedingter Nachteile nur zu einem teilweise guten
postoperativen Ergebnis für die Patienten führen. Aufgrund der
dargelegten Problematik erscheint es dringend erforderlich, durch eine
Weiterentwicklung der operativen Techniken ein hohes Maß an
Schmerzminderung im Sattelgelenk bei gleichzeitig erhaltener Kraft und
Funktionalität zu erreichen. Des Weiteren muss in der Nachbetrachtung
und bei der Beurteilung der verschiedenen Operationsmethoden auf eine
wesentlich patientenorientiertere Ergebnisbeurteilung Wert gelegt werden,
damit präoperativ speziell die postoperative alltägliche sowie die
berufliche Gebrauchsfähigkeit der Hand besser eingeschätzt werden können.
Mit
dieser Arbeit soll untersucht werden, ob die operative Versorgung mit
einer Resektions-Suspensions-Interpositionsarthroplastik (RSI) mit
modifiziertem palmarem Zugang auch langfristig in Bezug auf
Funktionalität, Kraft, Schmerz und Beweglichkeit positiv zu beurteilen
ist. Auch die Lage des Zuganges soll in dieser Studie genau analysiert
werden, um festzustellen, ob die Rate der postoperativen
Missempfindungen im Bereich der Narbe durch die Modifikation des
Zuganges reduziert oder erhöht wird. Insbesondere soll auf die
postoperative manuelle Beanspruchung im Alltag und die berufliche
Belastbarkeit eingegangen werden.
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